Sinnsuche...

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Wenn der eigene Atem zu feinen Eiskristallen gefriert und leise klirrend zu Boden fällt, nennen das die Sibirier "Sternflüstern" – Sternflüstern ist auch der Name dieses Blogs, der ein Blog der leisen, aber eindringlichen Worte und Gedanken sein will – freigeistiger und bisweilen unzeitgemäßer Gedanken. Mensch, Gesellschaft, Literatur, Leben und Tod sind Ursprung, Quelle und Gegenstand dieser Gedanken – in Texten, Versen und vielleicht auch im Gespräch mit dem einen oder anderen Besucher hier … „

So stellt sich der Blog des Herrn „Schweitzer“ vor, der den poetischen Namen „Sternflüstern“ trägt! Mein Freund Alex hatte mich auf diesen Blog beziehungsweise einen besonderen Eintrag hingewiesen, der zu unserem Thema „Sinn des Lebens“ paßt. Ich las den Beitrag, befand ihn für gut und schrieb daraufhin Herrn „Schweitzer“ an, schlug ihm vor, ob er nicht an unserem Gruppenblog teilnehmen wolle – Nein, er sei leider zu beschäftigt mit anderen Projekten, und tat mir sein aufrichtiges Bedauern in seiner Antwort kund. Unser Projekt „Sinn des Lebens“ fände er gut und an sich unterstützenswert...

Daraufhin bat ich ihn ob ich wenigstens seinen Beitrag hier im Sinnbuch-Gruppenblog verwenden dürfe? Nun, Herr „Schweitzer“ war so freundlich und wie sollte es auch anders sein, wenn jemand so einen Beitrag schreiben konnte...:


Sinnsuche - von schweitzer @ 2014-06-03 – 11:28:40

Wenn ich mich so umhöre, wenn ich in den Blogtagebüchern anderer Menschen herumstöbere, dann bemerke ich immer wieder wie sehr viele Leute nach dem Sinn des Lebens suchen, nach einem Sinn für ihr eigenes Leben. Jüngere Leute, naturgegeben, stärker, intensiver als ältere, aber die Älteren, die auch immer noch oder wieder stark und intensiv suchen, oft nicht minder verzweifelt.

Sehr wahrscheinlich hat es solche Sinnsuchen auch schon bei früher lebenden Generationen gegeben. Dennoch glaube, vermute ich, dass etwa vor zwei oder drei oder gar vier Jahrhunderten, die Menschen sich weniger, mindestens weniger intensiv, mit der Sinnfindung ihres Lebens befasst haben.

Der Sinn des Lebens bestand wohl viel mehr in der Erfüllung des eigentlichen Lebenszwecks: Fortpflanzung und Gewährleistung des Fortbestandes der Familie, Erhaltung von Leben, über Generationen hinweg durch Arbeit, großenteils harte Arbeit, die den ganzen Tag ausfüllte.

Darüber hinaus gehende Fragen wurden nicht gestellt und stellten sich nicht, das Gebot der Erfüllung des eigentlichen Lebenszwecks war vorgezeichnet, grundsätzlich waren die Tage auch zu sehr mit Arbeit, mit Kindererziehung, mit Tätigkeit in Haushalt oder Wirtschaft an- und ausgefüllt als das überhaupt Zeit und Kraft für weitergehende Gedanken blieb. Nach einem 12-, 14-, oder 16stündigen Tag angestrengter, harter Arbeit war man folgerichtig nur noch müde. – Und war angesichts des stumpfen und oft zermürbenden Einerleis die Frage nach dem Sinn für das eigene Leben denn doch einmal präsent und wurde auch als so empfunden, so mussten diese Augenblicke doch generell immer nur Augenblicke bleiben. Das, was das Leben, wie es nun einmal war, (er)forderte, war schnell wieder präsenter.

Sinnfragen wurden grundsätzlich wohl allenfalls von Personen aus begüterten Häusern gestellt, dort wo mehr oder weniger Zeiten der Muße, des Müßiggangs, der Langeweile gar, Zeiten sich Gedanken zu machen vorhanden waren.


Wenn an all dem, was ich, zugegeben, hier sehr verkürzt und mangels eigener Erfahrung auch weitgehend mutmaßend geschrieben habe, mehr als nur ein Körnchen Wahrheit ist, dann stellen sich mit Blick auf die Gegenwart einige Fragen, drängen sich einige interessante Gedanken (sic!) auf:

Unser Leben heute ist grundsätzlich, bei aller nach wie vor bestehenden und sich zwar in anderer Weise als in der Vergangenheit aber nach wie vor deutlicher ausprägenden Differenziertheit, ein völlig anderes.

Wir definieren Lebenszweck heute ganz anders, weil uns die vielfältigen Möglichkeiten, die Leben als solches ausmachen können, wesentlich gepusht durch die vielfältigen Möglichkeiten umfassender Kommunikation und der starken Medienpräsens, viel bewusster sind.
Bei aller teilweise starken und krank machenden Arbeitsbelastung, bleiben uns Abschnitte „freier“ Zeiten, Zeiten, um sich, unter anderem, Gedanken zu machen, über den Sinn des (eigenen) Lebens. –
Zeit und Kraft zu haben, sich Gedanken, Gedanken über Sinnfragen, zu machen, war früher vielmehr Luxus als heute. Aber sehen wir es mittlerweile nicht viel zu sehr als selbstverständlich und viel zu wenig als Geschenk an, generell immer wieder über solche Zeiten verfügen zu können?

Begreifen wir hinreichend genug, dass es nicht unwesentlich der (mehr oder weniger „perfekten“) Erziehung durch unsere Eltern, der Sozialisation in und durch Gemeinschaften, die uns keineswegs durchweg oder gar überwiegend „sympathisch“ sind und gar dem Durchlaufen unseres immer wieder (und durchaus oft zu Recht) kritisierten Bildungssystems zu VERDANKEN ist, dass wir so frei, so souverän, so fähig geworden sind, uns immer wieder und teilweise sehr differenziert Gedanken über den Sinn unseres Lebens zu machen vermögen?
Ein Mädchen schrieb vor zwei Tagen in einem Eintrag in ihr Blogtagebuch: „Gedanken machen einen nur kaputt. … man lässt es zu, dass sie uns kaputt machen.“

Ich gestehe, dass ich manchmal ähnlich empfinde, zumal ich unverkennbar zu jenen (etwas ) älteren Menschen gehöre und wohl auch gehören werde, die sich immer wieder stark und intensiv Gedanken über den Sinn des eigenen und den Sinn des Lebens bezogen auf die Menschheit machen.

Mitunter höre ich dann Sätze wie: „Denk‘ einfach nicht so viel, tu irgendwas, am besten was, was Dich auspowert!“ –
Das ist für mich nicht wirklich ein Rat, weil diese „Anregung“ nur darauf abzielt, das Nachdenken zu verdrängen, zu unterdrücken, die Zeit, die Kraft dafür mit der Orientierung auf anderes zu verbrauchen. So wie sie in früheren Jahrhunderten durch anhaltend harte Arbeit, durch die zwangsläufig fortwährende alles andere ausschließende Erfüllung des „eigentlichen“ Lebenszwecks verbraucht worden ist.
Ich möchte aber nicht wie ein Mensch voriger Jahrhunderte funktionieren (müssen), nicht zuletzt, weil ich, wie ich schon andeutete, die erworbene Fähigkeit und die gegebenen Möglichkeiten, sich (auch umfassend) Gedanken über den Sinn des (eigenen) Lebens zu machen, und dies auch nicht nur am Anfang desselben, für eine Errungenschaft, für ein Geschenk halte. Nachzudenken im Sinne von Suche nach dem Sinn des Lebens, macht nunmehr einen Teil dieses Sinns, des Lebenszwecks, aus. Und das ist gut so!

Bleiben aber schlussendlich, auch bzw. weil ich das so sehe, doch zwei, freilich sehr schwierige Fragen:

1. Was ist nötig, damit uns unsere Gedanken über Sinnfragen nicht so kaputt machen, wie das bei vielen offenkundig immer wieder geschieht?
2. Wer oder was ist „man“, dass es zulässt, dass uns solche Gedanken so sehr zusetzen, dass wir daran im schlimmsten Falle zu verzweifeln, zu zerbrechen drohen?
Ich habe auf beide Fragen keine hinreichende Antwort, nur ein paar Gedanken (sic!).

Zur ersten Frage spontan die Folgenden:

Das Leben muss ein Kompromiss sein dürfen. Mehr kann es nicht sein, ohne dass Menschen anderen Menschen letztlich Schaden zufügen, weniger aber darf es nicht sein. Es muss ein ausgewogener Kompromiss aus bestehenden und zu erfüllenden Pflichten und Zwängen auf der einen, und schöpferischer Selbstverwirklichung den eigenen Interessen gemäß auf der anderen, Seite sein dürfen und sein. (Der günstigste Fall wären Schnittmengen zwischen der Realisierung dieses Rechts, dieses Anspruches und den zu erfüllenden Pflichten – je größer sie wären oder würden, desto besser). Ist oder wird es das nicht, machen Gedanken über den Sinn des Lebens, des eigenen, wie des Sinns des Lebens an sich, kaputt. Fortgesetzt!
Meine Gedanken zur Beantwortung der zweiten Frage knüpfen an das eben Geäußerte an:

Wir sind es, die es zulassen, dass uns Gedanken über den Lebenssinn so kaputt machen, jeder Einzelne von uns, für sich. Wir sind es, weil wir uns so schwer entscheiden können. Für jüngere Menschen ist das grundsätzlich eine noch größere Herausforderung als für ältere. (Ausnahmen bestätigen die Regel). Denn wir verfügen heute nicht nur über die Möglichkeit Entscheidungen zu treffen, weil DER „eigentliche“ Lebenszweck heute nicht mehr so eingeschränkt definiert und vorgegeben ist wie in früheren Jahrhunderten, wir verfügen regelmäßig sogar über die Möglichkeit verschiedene erdenkliche Entscheidungen zu treffen.
Junge Leute, so scheint es mir, sind darauf häufig zu wenig vorbereitet, erhalten dabei nicht selten zu wenig Unterstützungs- und Entscheidungshilfe, wenigstens nicht solche, die nicht Bevormundung, Vorgabe, Erwartungshaltung ist oder zumindest so empfunden wird oder werden kann. Junge Menschen brauchen andere junge Menschen aber auch Erwachsene, mit denen sie in diesem Sinne tatsächlich einander vertrauen könnend zu REDEN, sich auszutauschen, vermögen.
Was ältere Menschen, die immer noch bzw. immer wieder auf der Suche nach dem Sinn sind, brauchen, um nicht zu verzweifeln, meine ich weit weniger zu wissen. Ich bin in diesem Sinne selbst ein zu markantes Beispiel und auch insoweit immer noch auf der Suche…

Schließlich sind es aber nicht nur wir selbst, sondern auch andere Menschen, Zeitgenossen um uns herum, vor allem jene, die über wirtschaftliche, finanzielle und politische Macht verfügen und so die Rahmenbedingungen ganz stark für das Leben jedes einzelnen von uns setzen, die es zulassen, ja, die sehr stark dafür verantwortlich sind, dass unsere Gedanken über den Sinn des (eigenen) Lebens uns so oft kaputt machen. – Weil die durch sie und ihre Machtausübung gesetzten Rahmenbedingungen für das Leben, UNSER Leben, den genannten, notwendigen Kompromiss, nicht oder wenigstens nicht in ausgewogener Weise zulassen.

Ob bzw. wie man das ändern kann, ist die folgerichtige Frage.
Es ist die größte, bislang unbeantwortete Frage unserer Zeit, der Gesellschaftsordnung in der wir leben.
Mindestens so lange das so ist und bleibt, werden die „Sinnsucher“ immer wieder in Gefahr geraten, kaputt zu gehen, zu verzweifeln – eine Heilung dieser Gefahr wird es so lange nicht geben. Allenfalls Linderungen, dadurch sich Gleichgesinnte zu erschließen, sich an ihnen zu orientieren, in ihnen den einen oder anderen WIRKLICHEN Freund für sich zu finden.

Auch das ist immerhin ein Stück Sinn des Lebens, ein Teil der Erfüllung eines der Moderne angemessenen Lebenszwecks. Und der wenigstens IST IMMER ein Stück weit realisierbar.

Quelle - zukünftig als grafisches „Quallen“-Symbol darstellbar!

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